Hilbert

Mächtige Frauen, wahre Ritter und widerwärtige Schurken: Rebecca Gablé im Gespräch über »Drachenbanner«, ihren neuen Waringham-Roman: Adela, die Enkeltochter Yvains, den wir aus »Teufelskrone« kennen, ist die Heldin der fulminanten Zeitreise ins 13. Jahrhundert.



Liebe Rebecca Gablé, was waren Ihre Beweggründe, diese Zeit auszuwählen?
Die Epoche der Reformbewegung um den charismatischen Simon de Montfort und des Zweiten Krieges der Barone bot sich einfach an, um einen Anschlussroman nach »Teufelskrone« zu schreiben. Es ist eine spannende Zeit, bevölkert von wundervollen historischen Charakteren: mächtige Frauen, wahre Ritter und widerwärtige Schurken. Und sie bot den perfekten Hintergrund für die Lovestory zwischen Adela of Waringham und dem unfreien Bauernsohn Bedric Archer.

»Drachenbanner« in zwei, drei Sätzen: Können Sie uns kurz den Inhalt umreißen?
Adela ist die Tochter des Earl of Waringham, Bedric der Sohn ihrer Milchamme. Von der Wiege an wachsen sie zusammen auf und werden trotz des Standesunterschiedes ein heimliches Liebespaar. Er flieht aus Waringham und kämpft als Bogenschütze für den Reformer Simon de Montfort, sie wird die engste Vertraute von Montforts Frau, Prinzessin Eleanor. Und durch alle politischen Stürme hindurch müssen Adela und Bedric ihr brisantes Geheimnis hüten.

Warum haben Sie Yvains Enkelin als Heldin ausgewählt? Was macht Adela so besonders?
Weil Adela mit zwei Brüdern und mit Bedric aufwächst, ist sie ein eher wildes Geschöpf, streift lieber bei Regen und Sturm durch die Heide, als am Feuer in der Halle Altartücher zu sticken. Sie ist mutig genug, einen Mordanschlag auf König Henry zu vereiteln, und wie so viele Waringham hat sie die Neigung, auf Konventionen zu pfeifen. Das hat sie mit der machtbewussten Prinzessin Eleanor gemeinsam, in deren Dienst sie steht, und das macht ihre Beziehung zu Bedric überhaupt erst möglich.

Verraten Sie uns Ihre Lieblingsszene?
Ich fürchte, ich kann mich nicht entscheiden ;-)

Nennen Sie uns fünf Schlagworte, auf was sich die Leser*innen bei »Drachenbanner« gefasst machen sollten?
Ausbeutung und Revolte. Einen aufsteigenden Stern am royalen Firmament. Das vielleicht berühmteste Parlament in der englischen Geschichte. Und Liebe, natürlich.

Was fällt Ihnen beim Schreiben am leichtesten, was am schwersten?
Das kann ich so pauschal nicht sagen. Manchmal fließen mir die Dialoge nur so aus der Tastatur, an anderen Tagen stammeln meine Figuren sich irgendwelches hölzern klingendes Zeug zusammen, das ich wieder löschen muss. Es kann gelegentlich sehr schwierig sein, komplizierte historische Zusammenhänge zu schildern, ohne schulmeisterlich zu referieren, doch bei der nächsten Szene erklärt plötzlich eine Figur elegant und beiläufig beim Ausritt einer anderen einen solchen komplexen Sachverhalt, und es wirkt ganz leicht. Vielleicht ist das das Allertollste an meinem Beruf: Die Herausforderungen sind jeden Tag anders.

Woher holen Sie sich Ihre Inspirationen für Ihre Romane?
Aus der Historie. Das kann ein bestimmtes Ereignis oder eine Person sein, über die ich beim ziellosen Mittelalter-Stöbern im Internet stolpere, die mein Interesse wecken und mich so neugierig machen, dass ich mehr lese und tiefer einsteige. Und irgendwann weiß ich dann einfach: Das könnte die historische Hauptfigur oder das zentrale Ereignis meines nächsten oder übernächsten Romans werden.

Wie und wie lange recherchieren Sie die historischen Fakten, bevor Sie mit dem Schreiben beginnen? Haben Sie ein Team, das Sie bei den Recherchen unterstützt? Reisen Sie zu den Orten der Geschichte?
Drei bis sechs Monate verbringe ich mit dem Sammeln und Lesen von Quellen und Fachliteratur zu meinem Thema, ehe ich anfange zu schreiben. Aber meistens recherchiere ich bis zum letzten Schreibtag weiter. Das mache ich ganz allein. Ich beneide ja die Kolleg:nnen ein wenig, die mit Rechercheagenturen zusammenarbeiten. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie jemand anderes wissen sollte, welche Informationen ich brauche, um auf genau diese eine handlungstragende Idee zu kommen. Oder welches mittelalterliche Versepos ich lesen muss, um Inspiration für den Charakter meiner Heldin oder meines Helden darin zu finden. Das kann mir einfach niemand abnehmen. Die Reise zu den Schauplätzen ist natürlich immer das Sahnehäubchen bei der Recherche, im Fall von »Drachenbanner« allerdings Corona zum Opfer gefallen. Zweimal saß ich auf dem gepackten Koffer und musste in letzter Minute alles absagen. Es ging aber auch so.

Haben Sie schon den ganzen Plot im Kopf, wenn Sie mit dem Schreiben beginnen?
Nein. Ich weiß, wer meine Figuren sind (fiktive und historische gleichermaßen), was die wichtigsten Ereignisse in ihrer Biografie während der Romanhandlung sein werden, und ich weiß, von wann bis wann die Handlung angesiedelt sein, mit welchem historischen Ereignis sie enden soll. Aber mehr nicht.

Wenn Sie One-Way ins 13. Jahrhundert reisen könnten, würden Sie? Mittelalter ohne Wiederkehr?
Nein, danke. Die kulturelle Kluft wäre wohl zu groß, und ich hätte in feuchtkalten Burgen oder zugigen Katen bei schlechter Ernährung und Hygiene keine besonders guten Überlebenschancen. Außerdem wäre mir der damals übliche Wein zu süß ;-)

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Mein erstes Werk habe ich auf der Schreibmaschine meines Vaters getippt, da muss ich sieben oder acht gewesen sein. Es war ungefähr drei Sätze lang. Dann folgte eine schöpferische Pause bis zur Pubertät, wo ich ganze Ringbücher mit unvollendeten Abenteuergeschichten gefüllt habe. Meinen ersten Roman habe ich mit Anfang Zwanzig abgeschlossen. Er liegt unveröffentlicht in der Schublade, wohin er auch gehört, aber danach war mir endgültig klar, dass das Schreiben einen wichtigen Platz in meinem Leben einnahm. Und ein paar Jahre später habe ich meinen Brotberuf an den Nagel gehängt und Literatur mit dem Berufsziel »Schriftstellerin« studiert.

Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
An Schreibtagen lese ich die letzten fünf Seiten vom Vortag. Wenn ich Glück habe, finde ich dabei die verwunschene Tür, die zurück in die Geschichte führt, und kann einfach weiterschreiben – maximal zehn Seiten am Tag. An anderen Tagen steht Recherche im Vordergrund, die hauptsächlich aus Lesen von Quellen und Fachliteratur besteht. In Zeiten von Social Media sind die Verfasser der historischen Fachbücher viel leichter zugänglich geworden, als es früher der Fall war, und viele sind sehr hilfsbereit, darum bestehen Recherchetage manchmal auch aus Korrespondenz mit ihnen – was oft urkomisch ist, weil englische Historiker eben englischen Humor besitzen.

Was ist Ihr aktuelles Lieblingsbuch?
»Billy Summers« von Stephen King

Was kommt jetzt? Verraten Sie uns schon die Zeit, in der es für uns mit den Waringham weitergeht?
Darüber möchte ich noch nichts verraten.

Vielen Dank für das Gespräch!






Drachenbanner – Waringham Saga (Bd. 7)
Rebecca Gablé
Lübbe
Gebunden, 928 Seiten
978-3-7857-2808-6
Euro 29,90




Teufelskrone – Waringham Saga (Bd. 6)
Rebecca Gablé
Lübbe
Taschenbuch, 926 Seiten
978-3-404-18917-5
Euro 14,99