
Nordischer Traum
Wem geht es nicht so: Skandinavien wird erwähnt – und die Augen beginnen zu leuchten. Aber nicht nur für diejenigen, die Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark oder Island bereits erkundet haben, sind die Länder im Norden Europas ein Sehnsuchtsziel: Viele der populären Bilder und Geschichten, die wir von Skandinavien haben, schaffen das Sinnbild eines naturverbundenen, glücklichen Lebens.
Und das nicht von ungefähr: Die Länder im hohen Norden haben viel zu bieten mit ihrer spektakulären Natur, den quirligen Großstädten und charmanten Provinzstädtchen, mit vielfältiger Kultur und gutem Essen – und mit entspannten Menschen. So sollen in Skandinavien die glücklichsten Menschen leben. Ob es an den hervorragenden Sozialsystemen, den unwiderstehlichen Zimtschnecken und an »hyggeligen« Momenten liegt?
Zur Einstimmung empfiehlt sich ein Blick auf die skandinavische Literatur- und Bücherwelt. Und natürlich sind die Bücher auch ideale Vehikel zum Reisen, wenn wir dort, wo wir sind, bleiben müssen oder möchten.
Die zahlreichen Fans der so realitätsnahen wie düsteren Krimis und Thriller wissen allerdings, dass diese eine ganz andere Seite Skandinaviens zeigen: Sie spielen mit den Herausforderungen der Natur, mit Kälte und Dunkelheit, ausgedehnten Wäldern und menschenleeren Regionen. Zu den bekanntesten skandinavischen Krimi- und Thriller-Autor:innen gehören –
um nur die wirklich größten zu nennen – Jussi Adler-Olsen, Arne Dahl, Henning Mankell, Håkan Nesser, Stieg Larsson, Jo Nesbø, Kristina Ohlsson, Viveca Sten oder Yrsa Sigurdardóttir.
»Livet er et kort øyeblikk
mellom to evigheter.
Das Leben ist ein kurzer Moment zwischen zwei Ewigkeiten.«
Nowegische Redewendung
Skandinavische Bücherwelt
Der Norweger Jo Nesbø schickt seinen gebrochenen, unerbittlichen Helden Harry Hole, Spezialist für Mordserien, in »Blutmond« diesen Winter auf eine weitere fesselnde Ermittlung. »The Times« bezeichnet die Isländerin Yrsa Sigurdardóttir als eine der »besten Kriminalautorinnen der Welt«. Allen, die davon noch nicht überzeugt sind, empfehlen wir ihren neuesten Krimi »Schnee«. Das schwedische Autorenpaar Maj Sjöwall und Per Wahlöö gilt als Impulsgeber des sozialkritischen skandinavischen Krimis. Bereits 1965 veröffentlichten sie ihr erstes Buch um Kommissar Martin Beck. Heute beleben fesselnde Neuerscheinungen das Genre, wie zum Beispiel der gefeierte, erst in diesem Sommer erschienene Roman »Wütende Bärin« der Norwegerin Ingebjørg Berg.
Leicht und licht wie ein Sommertag im hohen Norden kommt dagegen die skandinavische Kinderliteratur daher. Im Geiste sehen wir uns mit dem Blondschopf Michel durch seine småländische Heimat hüpfen, mit Karlsson vom Dach Zimtschnecken essen, mit Pettersson und Findus im Garten picknicken oder mit Pippi Langstrumpf auf ihrem Kleinen Onkel durch die Kleinstadt schaukeln. Die liebenswerten Figuren von Sven Nordqvist und Astrid Lindgren sind wie Ulf Starks »Kannst du pfeifen, Johanna?« aus den 1990er-Jahren, Jostein Gaardners »Sofies Welt« (1992) oder Janne Tellers dänisches Jugendbuch »Nichts: Was im Leben wichtig ist« von 2010 ebenfalls längst Klassiker. Neben Astrid Lindgren gehört die finnlandschwedische Schriftstellerin, Illustratorin und Malerin Tove Jansson zu den großen skandinavischen Kinderbuchautorinnen des 20. Jahrhunderts. Noch ein Jahrhundert tiefer in der Vergangenheit verortet sind die Werke von Selma Lagerlöf und die Märchen von Hans-Christian Andersen.
Astrid Lindgren
Wo anfangen bei einer so berühmten und produktiven Autorin wie Astrid Lindgren? Am besten mit ihren zeitlosen und grandiosen Figuren wie Pippi, Michel, den Kinder von Bullerbü, Kalle Blomquist, den Brüder Löwenherz oder Ronja Räubertochter, die für eine ganze, glückliche Kindheitswelt stehen. Mit einer Gesamtauflage von etwa 165 Millionen Büchern gehört die Schwedin zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen der Welt. Vielleicht erlaubte ihr die nach eigenen Worten glückliche Kindheit im südschwedischen Småland, sich als sehr junge und zunächst unverheiratete Frau ein Leben als Lektorin in Stockholm aufzubauen. Mit dem Beruf fand sie ihre Berufung als Kinderbuchautorin. Später, als schon berühmte Schriftstellerin, meldete sie sich gerne mit sichtlichem Vergnügen zu gesellschaftlichen und politischen Missständen in ihrem Heimatland zu Wort. Eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit einem einzigartigen Werk, die 1999 zu Recht zur »Schwedin des Jahrhunderts« gewählt wurde.
»Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt
alles so machen muss
wie andere Menschen.«
Astrid Lindgren
Draußen kalt und drinnen hyggelig
Die fiktiven lindgrenschen Orte wie Saltkrokan, Bullerbü oder Lönneberga sind ohne die typischen roten Holzhäuser gar nicht vorstellbar. Der konservierende Anstrich gehört wie die beliebten lichtdurchfluteten Sommerhäuser oder die knallbunten Wohnhäuser vieler Hafenorte zu den seit Jahrhunderten gewachsenen Traditionen: eine Reaktion auf die Härten der Natur. Bis heute dominieren sie in ganz Skandinavien das Landschaftsbild. Schutz und Behaglichkeit sind bei arktischen Temperaturen und langen, dunklen Wintern, in kargen Fjellandschaften und gefühlt unendlichen Wäldern ein hohes Gut. Die Notwendigkeit von Sicherheit und der Wunsch nach Geborgenheit und Vertrautheit hat das geformt, was heute als Hygge-Hype längst über die Grenzen der Nordländer geschwappt ist. Der Duft von Kaffee, Zimt und Kardamom, Kerzenschimmer, ein knisterndes Feuer und behagliche Wärme sind in Skandinavien eine Art Grundbedürfnis – überall sonst aber auch unschlagbar.
Der hyggelige Zauber gemütlicher Stunden wird in ganz Skandinavien insbesondere zur Advents- und Weihnachtszeit geradezu zelebriert. Wohn- und Gasthäuser, Dörfer und Städte strahlen weihnachtlich dekoriert um die Wette. Die skandinavischen Weihnachtsmärkte sind mit ihren Lichtern und Düften in der winterlich kalten und klaren nordischen Luft eine Klasse für sich. Auf dem Land öffnen viele Häuser und Bauernhöfe, Schlösser und Herrenhäuser ihre Pforten und verbreiten mit dem Duft gebrannter Mandeln und von Glühwein weihnachtliches Flair. Die Weihnachtsstimmung längst vergangener Zeiten ist hier oft noch spürbar und versetzt zurück ins 19. Jahrhundert. In den großen Städten wie Oslo, Stockholm, Helsinki oder Kopenhagen, aber auch in Bergen, Trondheim, Göteborg oder Malmö starten die sehr vielfältigen Weihnachtsmärkte zum Teil schon ab Mitte November.
Was gibts zu essen?
Wir kennen es aus Lönneberga: Zu Weihnachten wird nach Herzenslust geschlemmt. In ganz Skandinavien pflegen die einzelnen Länder und Regionen ihre speziellen kulinarischen Traditionen. Weihnachtskekse und Blaubeerlikör, Pfefferkuchen und Smørrebrød – überall wird gegessen und getrunken, was das Zeug hält. Wie die traditionelle Architektur oder das berühmte nordische Design haben sich die skandinavischen Essgewohnheiten aus dem entwickelt, was die Natur hergibt. Wildgerichte und Fisch, Roggenbrot und Zimtschnecken, Kuchen und Süßspeisen mit Beeren sind nach wie vor beliebte Klassiker in den Ländern und mittlerweile auch bei uns.
»Det var inte illa pinkat av en trähäst.«
Schwedische Redewendung
»Das war nicht schlecht gepinkelt von einem Holzpferd.«
wortwörtliche Übersetzung
»Nicht schlecht, Herr Specht!«
deutsche Entsprechung
Staunen und Mitfeiern
Eng mit der Kulinarik verbunden sind die Bräuche der nordischen Länder. Brauchtumspflege, Traditionen und die Sagenwelt der nordischen Mythologie haben überall einen sehr hohen Stellenwert. Das Festjahr beginnt mit dem Osterfest, wo in den Ländern Skandinaviens traditionell Eier, Lamm und Süßigkeiten auf den Tisch kommen. Eine dänische Ostertradition ist der Gækkebrev, der Narrenbrief: Ein selbst gebastelter Brief mit Gedichten wird zusammen mit einem Maiglöckchen geheim an einen Freund oder an eine Freundin geschickt. Vielleicht möchten Sie sich hier einmal inspirieren lassen?
Ganz wichtig ist Midsommar, die Mittsommernacht, in der die Sommersonnenwende gefeiert wird. Mit ihren hellen Sommernächten halten die skandinavischen Länder diesen Brauch sehr lebendig. Für die Schwed:innen ist Midsommar das wichtigste Fest nach Weihnachten. Auch die Finn:innen feiern dieses Fest, Johannus genannt, am Wochenende nach dem 21. Juni. Die Dän:innen und Norweger:innen feiern den Mittsommer am Vorabend des Johannistages am 23. Juni. Überall wird getanzt und getrunken und an gut sichtbaren Plätzen riesige Feuer entfacht, die böse Kräfte und Geister fernhalten sollen.
Auch zur traditionellen Walpurgisnacht-Feier am 1. Mai wird in ganz Schweden viel getanzt und gefeiert. Der zur kommerziellen Veranstaltung gewandelte Maifeiertag hat sich zum urbanen, modernen Festereignis entwickelt. Traditionell werden bei diesen Festen schwedische Flusskrebse und fermentierter Hering serviert. Aber Vorsicht, Geschmack und Geruch sind gewöhnungsbedürftig! In Norwegen sind die Bräuche von Region zu Region unterschiedlich. Wichtig sind der Nationalfeiertag am 17. Mai und der 29. Juni, an dem der St. Olav’s Tag zur Erinnerung an König Olav Haraldson gefeiert wird.
Und natürlich die für uns aktuell wichtigste festliche Zeit: die Weihnachtszeit: In die Adventszeit fällt das berühmte Luciafest am 13. Dezember, das vermutlich in der Tradition älterer Sonnenwendfeierlichkeiten steht. Ein schöner Brauch zur Weihnachtszeit ist auch das Entzünden von Schwedenfeuern und die vor der Tür platzierten Kerzen, die mitunter ganze Straßen beleuchten. In Finnland ist der Nationalfeiertag am 6. Dezember ein patriotisches Fest, das an das Jahr der Unabhängigkeit 1917 erinnert. Während die Dän:innen das Weihnachtsfest meist ausschließlich mit der Familie feiern, wird das neue Jahr mit Freunden begrüßt.
Weitere Lektüretipps für Skandinavien
Und was gibt es noch zu entdecken? Natürlich noch viel! Zum Beispiel, wie man der sommerlichen Mückenplage entkommt und wo die norwegischen, schwedischen und dänischen Royals wohnen. Oder welche Geschichte hinter dem Nobelpreis steckt, wann und wo man die Polarlichter sehen kann und was man als Gast unbedingt wissen sollte: Schuhe ausziehen vor der Haus- oder Wohnungstür ist ein absolutes Muss.
Auch die überwältigende nordische Flora und Fauna, Schären und Fjorden, Berge und Wälder, Bären, Rentiere und Elche, Hundeschlittenabenteuer und Eisklettern, Schneemobilfahrten und stille Bade- und Angelseen sind soweit zu kurz gekommen. Es gibt so viel zu entdecken!
Spannende Romane und eine Fülle an Sachliteratur zu Land und Leuten zoomen Skandinavien je nach Gusto nah heran. Neben den auch landeskundlich interessanten Krimis vermitteln Romane wie Marianne Fredrikssons »Hannas Töchter« (1997) oder »Fräulein Smillas Gespür für Schnee« (2014) des Dänen Peter Høeg authentische Einblicke in die skandinavische Seele und Geschichte. Die zahlreichen Neuerscheinungen lassen Leseratten nicht auf dem Trockenen sitzen – ideal für gemütliche Stunden auf dem Sofa.
Hochsaison fürs Saunieren

Ursprung ▸ Das Wort Sauna stammt aus dem Finnischen. Es bedeutet soviel wie »Badestube«
oder »Schwitzstube«. Im Jahr 2020 wurde die
finnische Saunakultur zum »Immateriellen Kulturerbe« der UNESCO ernannt! Der Ursprung
der »Schwitzbäder« liegt in der Steinzeit und lässt sich bis nach Asien zurückverfolgen.
Richtig saunieren härtet ab ▸ Bei einer Lufttemperatur von zwischen 80°C und 100°C werden Kreislauf und Durchblutung angeregt, das Immunsystem gestärkt und Muskeln und Haut entspannt.
Andere Länder, andere Sitten ▸ Saunas sind in Skandinavien oft wie ein zweites Wohnzimmer und es wird vieI gequatscht. In Finnland ist es völlig normal mit Geschäftsleuten zu saunieren oder dort einfach soziale Kontakte zu pflegen. Einladungen zum Saunieren sollte man nicht abschlagen, denn das ist unhöflich.
Nackt oder leicht bekleidet? ▸ In Schweden und Finnland darf es völlig nackt sein, aber dafür geschlechtergetrennt. Gemeinsames Saunieren ist meistens nur unter Familienmitgliedern üblich. In Norwegen tragen Saunagänger ein Handtuch ebenso in Dänemark, wo jedoch zusätzlich leichte Badebekleidung bevorzugt wird.
Saunamakkara ▸ Die finnischen Saunawürste sind in Alufolie gewickelt Bockwürste, die im Dampf über dem Saunaofen garen und die Sauna mit ihrem Duft erfüllen. Gegessen werden sie während des Saunierens oder zum Schluss.
Nordische Rezepte zum Kochen und Backen
Hier gibt es leckere Rezepte zum nachkochen