
Erich Maria Remarque wurde 1898 in Osnabrück geboren. Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg verarbeitete Remarque die grausamen Erlebnisse in Romanen. Bevor die Nationalsozialisten nach der „Machtergreifung“ seine Bücher aufgrund ihres pazifistischen Charakters verboten und verbrannten, emigrierte Remarque bereits 1931 zuerst in die Schweiz und 1939 in die USA. International bekannt wurde er mit seinem Anti-Kriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“, der in mehr als sechzig Sprachen übersetzt wurde und auch knapp hundert Jahre nach seinem Erscheinen leider nichts an Aktualität eingebüßt hat. Wir sprachen mit Thomas Schneider, dem Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums in Osnabrück:
Von wem wurde das Erich Maria Remarque-Friedenszentrum ins Leben gerufen und warum?
Erich Maria Remarque ist wohl der berühmteste Sohn der Stadt Osnabrück, im Konzept der Stadt als Friedensstadt ist er eine der tragenden Säulen. Das Erich Maria Remarque-Friedenszentrum wurde 1998 als gemeinsame Einrichtung von Stadt und Universität Osnabrück eröffnet und informiert mit einer Dauerausstellung ein internationales Publikum über Leben und Werk Remarques. Darüber hinaus werden in Sonderausstellungen und Forschungsprojekten die Darstellung und Verarbeitung von Kriegen in so unterschiedlichen Medien wie Literatur, Kunst, Fotografie, Film oder Comics thematisiert.
Was ist heute an Remarque so zeitgemäß?
In seinen Büchern und in seinen öffentlichen Stellungnahmen ist Remarque Zeit seines Lebens vehement für die Wahrung der Rechte des Individuums eingetreten. Er war überzeugt, dass Krieg, Verfolgung und die Missachtung der Menschenrechte Verbrechen gegen die Zivilisation sind, und er verstand seine Literatur als einen Beitrag zur Friedenssicherung, indem er über das individuelle Schicksal von Menschen in Extremsituationen schrieb. Diese zutiefst humanistische Botschaft konnte von Leserinnen und Lesern auf allen Kontinenten und in sehr unterschiedlichen Kulturen gleichermaßen verstanden werden, unabhängig vom jeweiligen politischen und kulturellen Kontext. Remarque war und ist aktuell nicht nur ein deutscher, sondern vor allem ein globaler Autor, der weltweit als glaubwürdiger Humanist geachtet wird.
… und von erschreckender Aktualität …
Geradezu überwältigend ist die internationale Präsenz Remarques in der Gegenwart. Wohl nie zuvor wurden so viele Remarque-Zitate in den sozialen Netzwerken gepostet und geteilt wie zu Beginn des Krieges in der Ukraine. Die Menschen in der ganzen Welt bringen ihre Position gegen den Krieg mit Remarque zum Ausdruck, sie identifizieren sich mit seinen Aussagen, stammen sie aus den Romanen oder aus seinen zahlreichen Essays und Interviews. Remarque ist also kein Autor des vergangenen 20. Jahrhunderts, sondern aktueller denn je. Er ist tatsächlich ein Teil des globalen kulturellen Gedächtnisses und wird weltweit gleichermaßen verstanden.
Was enthält das Remarque-Archiv?
Das Erich Maria Remarque-Friedenszentrum beherbergt mit dem Remarque-Archiv die weltweit umfangreichste Sammlung von Materialien zu Leben und Werk Remarques. Das umfasst nicht nur Werkmanuskripte und Korrespondenz Remarques, sondern auch eine Vielzahl von Dokumenten der internationalen Rezeption wie die wissenschaftliche Literatur, Rezensionen und Diskussionsbeiträge und schließlich Dokumente zu den Adaptionen der Werke in Film, Radio, Theater, Comics und Musik. Ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit ist die Beratung der Nutzerinnen und Nutzer, die Zusammenarbeit mit Kulturschaffenden und den Medien in allen Fragen zu Erich Maria Remarque.
Muss man vor Ort sein, um das Angebot zu nutzen, oder sind die Bestände bereits digitalisiert?
Nahezu 90 % der Bestände sind digitalisiert. So sind wir in der Lage und gerne bereit, unseren Service auch digital anzubieten. Uns erreichen Anfragen aus aller Welt.
Sie arbeiten auch oft mit Schulen zusammen und bieten ein umfassendes „Lehrpaket“ an. Können Sie uns dazu mehr erzählen?
Wir haben verschiedene Formate wie Führungen, Workshops und Archivarbeit für Schulen, aber auch für interessierte Besuchergruppen. Selbstverständlich informieren wir darin über Leben und Werk Remarques, unser Schwerpunkt liegt aber auch darauf, Remarque nicht als ein historisches Phänomen zu verstehen, sondern seine Themen in die Gegenwart zu tragen und ihre Aktualität zu hinterfragen und zu vermitteln: Wie ist die heutige Situation von Flüchtenden, wie werden Kriege und Konflikte heute von den Betroffenen erlebt und wie können diese Erfahrungen mit Remarques Werken in Verbindung gebracht werden.
Was ist für Sie das Bemerkenswerteste, was Sie bei Ihrer Arbeit über Remarque herausgefunden haben?
Da ist zunächst einmal die Erkenntnis, dass Remarque sich selbst ab 1929 als globaler Autor verstand, er wollte ein möglichst breites internationales Publikum ansprechen, denn er war der Überzeugung, dass eine Welt ohne Nationalismus, Chauvinismus und Kriege erreicht werden kann. Die Voraussetzung dafür ist in seinen Augen aber die Überwindung von Vorurteilen, das Verständnis für andere friedliche Positionen und Empathie für das Individuum. Er nannte das „konstruktiven Patriotismus“ und in diesem Sinne wollte er seine Texte verstanden wissen. Geradezu überwältigend ist die internationale Präsenz Remarques in der Gegenwart. Wohl nie zuvor wurden so viele Remarque-Zitate in den sozialen Netzwerken gepostet und geteilt wie zu Beginn des Krieges in der Ukraine. Die Menschen in der ganzen Welt bringen ihre Position gegen den Krieg mit Remarque zum Ausdruck, sie identifizieren sich mit seinen Aussagen, stammen sie aus den Romanen oder aus seinen zahlreichen Essays und Interviews. Remarque ist also kein Autor des vergangenen 20. Jahrhunderts, sondern aktueller denn je. Er ist tatsächlich ein Teil des globalen kulturellen Gedächtnisses und wird weltweit gleichermaßen verstanden.
Als Dauerleihgabe der NYU befindet sich die Schallplattensammlung des Autors im Friedenszentrum. Welchen Musikgeschmack hatte Remarque? Wissen Sie, ob er beim Lesen oder Schreiben Musik hörte? Hier gehen die Geister ja auseinander.
Remarque wollte ursprünglich Musiker werden, die Kriegsverletzung beendete diesen Plan. Er hörte, was ihm persönlich gefiel, unabhängig von der musikalischen Stilrichtung. Das waren Hits seiner Zeit, aber auch klassische Konzerte, Klaviermusik, Opern, und Musicals, aber auch Stücke aus Lateinamerika. Das Spektrum reichte von Bach und Beethoven bis zu den Beatles und den Rolling Stones. Und ja, er hörte Musik, während er schrieb.
„Im Westen nichts Neues“ wird gerade für Netflix neu verfilmt. Sind Sie schon gespannt?
Natürlich sind wir gespannt, denn der Film wird wie seine beiden Vorgänger von 1930 und 1979 die Sichtweise auf diesen Text noch einmal aktualisieren und heutigen Sehgewohnheiten anpassen. Bleiben aber wird Remarques Botschaft: Krieg ist ein Verbrechen, für das es keine Legitimation geben kann, und seine Folgen sind nachhaltig im negativen Sinn, denn er hinterlässt eine „Generation, die vom Kriege zerstört wurde, auch wenn sie seinen Granaten entkam.“