
Die Einladung – Interview mit Sebastian Fitzek
Wir haben Ihre »Einladung« hocherfreut angenommen und sind mit Ihren Protagonisten auf die eingeschneite Berghütte gereist. Dort führten Sie uns allerdings wiederholt aufs Glatteis hinsichtlich dessen, was wir über den Plot, über die Protagonisten zu wissen meinen, spielten mit unserer Wahrnehmung und setzten uns schrecklichen Überraschungen und Widersprüchen aus. Welchen Reiz übt dieses Spiel mit der Wahrnehmung auf Sie aus?
Man darf sich mich nicht als einen Marionettenspieler vorstellen, der es liebt, seine Figuren (und damit auch die Leserinnen und Leser) an den von ihm gesponnenen Fäden zappeln zu lassen. Ich kann Bücher nur über Themen schreiben, die mich persönlich wirklich bewegen. Aus einer sehr intensiven, tragischen Erfahrung mit einem guten Freund, der letztlich an seinen psychischen Problemen zugrunde gegangen ist weiß ich, welch schlimme Geißel es ist, zwischen Realität und Einbildung nicht unterscheiden zu können. Diese Thematik zieht sich seitdem durch viele meiner Psychothriller. Schon mein allererster Roman »Die Therapie« beschäftigt sich mit diesem Thema.
Trauen Sie Ihrer eigenen Wahrnehmung?
Wenn man in Berlin lebt, so wie ich, bekommt man schon ziemlich oft Zweifel an seiner eigenen Wahrnehmung – beziehungsweise deren Wahrheitsgehalt. So wie letztens, als mir auf einem belebten Bürgersteig ein glatzköpfiger Mensch mit einem Toiletten-Pömpel auf dem Kopf entgegenkam.
Welche Einladung würden Sie unter gar keinen Umständen annehmen?
Wenn ich eine Einladung ins Dschungelcamp bekäme, würde ich diese garantiert absagen.
Ein wichtiges Thema Ihrer »Einladung« ist die eigene Identität, die Zufriedenheit damit und der Weg dorthin: Gibt es jemanden, mit dem Sie gerne – für eine gewisse Zeit – tauschen würden?
Wenn es nur für eine bestimmte Zeit ist, würde ich mit fast allen Menschen kurz einmal tauschen wollen. Die Vorstellung find ich superspannend: zu erfahren, wie es sich anfühlt, in einem anderen Körper zu stecken, der mit einem anderen Geist, anderem Humor, anderen Ansichten ausgestattet ist. Aber ich würde nicht mit einer Person tauschen wollen, die gerade auf einem Zahnarztstuhl liegt oder sich in einer vergleichbaren Situation befindet: vielleicht kurz vor einer Blinddarmoperation oder einer Abschlussprüfung.
Es geht auch um Vergangenes, um Schuld, die man sich in der Vergangenheit aufgeladen hat –
sei es durch Mittäterschaft oder durch Mitläuferschaft – sowie natürlich um Rache. Wann ist Rache für Sie akzeptabel?
Nie. Ich verstehe zwar das archaische Gefühl und kann für mich nicht die Hand ins Feuer legen, wie ich reagieren würde, wenn man mir das Liebste im Leben nehmen würde. Aber das Ergebnis von Rache ist immer sinnlos. Wahrscheinlich ist es auch nicht befriedigend, sondern eher eine Leere. Vor allem bringt es dir das, was du verloren hast, nicht zurück.
Auch »Die Einladung« geht wieder ans Eingemachte, ist schrecklich spannend, beklemmend und angsteinflößend. Hatten Sie eine Art Ausgleich während des Schreibens? Oder brauchten Sie das nicht?
Es ist umgekehrt: Das Schreiben hilft mir, meine Ängste abzubauen, wenigstens zu bearbeiten. Allein durch meine Recherche, aber auch durch meine Sorgen als Familienvater, habe ich zahlreiche Alb-Tagträume, denen ich mit und in meinen Büchern eine Struktur geben kann. Das lässt mich dann tatsächlich ruhiger schlafen. Eine, wie ich finde, geniale Aufteilung: Ich stülpe meine Albträume den Leserinnen und Lesern über, gehe danach ausgeglichen durchs Leben und bekomme für meine Eigen-Therapie auch noch Geld. (lacht)
Das klingt in der Tat sehr gut. Was machen Sie, wenn Sie uns nicht das Fürchten lehren?
Alles, was andere Menschen außerhalb Ihres Berufslebens auch machen: Von Windeln wechseln bis zu Grillabenden mit Freunden ist alles dabei. Die Familie meiner Frau lebt nicht in Berlin, da sind mehrere Reisen im Jahr vorprogrammiert. Ich lese viel, mindestens abends vor dem Einschlafen. Und zwischendurch, wenn ich es schaffe, spiele ich gerne Schlagzeug und probiere Reinigungsmittel-Lifehacks aus dem Internet aus.
Was bringt Sie um den Schlaf?
Ein gutes Buch.
Was ist Ihr derzeitiges Lieblingsbuch?
Das wird für immer »Die unendliche Geschichte« von Michael Ende bleiben. Momentan liegt zudem die neue Ausgabe seines zweiterfolgreichsten Werks »Momo«, das gerade 50-jähriges Jubiläum feiert, auf meinem Schreibtisch. Mein Agent Roman Hocke war Endes Lektor und sein langjähriger Freund.
Wo kaufen Sie Ihre Bücher? Haben Sie eine lokale Lieblingsbuchhandlung?
Ich habe nicht die eine Lieblingsbuchhandlung, da ich – das gebe ich offen zu – Manschetten habe, in eine Buchhandlung zu gehen. Weil ich immer die Sorge habe, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten denken, dass ich einen Kontrollgang mache, ob meine Bücher auch gut platziert sind. Das kollidiert leider mit meinem Bedürfnis, stundenlang in Buchhandlungen zu stöbern. Eine Krimi-Buchhandlung, die ich aber wärmstens empfehlen kann, ist Miss Marple in Berlin Charlottenburg.
Die Einladung
Sebastian Fitzek
Droemer
Gebunden, 384 Seiten
€ 24,-
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