
Thorsten Pilz für Sie entdeckt.
»Weite Sicht« erzählt von vier Frauen, vier Leben: Charlotte, die nach dem Tod ihres Mannes infrage stellt, woran sie so lange glaubte. Gesine, die Hilfe braucht und nicht weiß, wie sie darum bitten soll. Sabine, die einsam ist und sich nicht damit abfindet. Und die Dänin Bente, der Freigeist, die Unruhestifterin, die fürchtet, nicht mehr genug Zeit zu haben für das, was sie noch vorhat. Wir durften dem Autor ein paar Fragen stellen:
Erzählen Sie uns kurz, um was es in Ihrem Roman geht?
In „Weite Sicht“ geht es um vier Frauen, die im fortgeschrittenen Alter mit grundlegenden Fragen konfrontiert werden und lernen, dass es dafür manchmal ungewöhnlicher und neuer Antworten bedarf.
Was waren Ihre Beweggründe, diese Geschichte zu erzählen?
Es war nach einem Abend bei guten Freunden. Wir hatten viel über unsere Familien, unsere Eltern gesprochen. Eltern, die krank werden, die vielleicht auch schon gestorben waren. Und wir haben uns gefragt, wie wir leben wollen, wenn wir alt sind. Allein, zu zweit, mit anderen? Das waren die Ausgangsfragen, die mich dann durch die folgenden Tage und Wochen begleiteten. Und die dann immer weitere Kreise zogen.
Was hat Sie inspiriert so lebendig, warmherzig und einfühlsam über Frauen in ihren Sechzigern und Siebzigern schreiben?
Für mich stand schnell fest, dass diese Geschichte von Frauen handeln muss. Von Frauen, die im Laufe ihres Lebens schon vieles erlebt haben, die aber jetzt noch mal, aus unterschiedlichen Gründen, gezwungen werden, dieses zu überdenken, neu zu denken. Ich habe mich einmal im Familien- und Bekanntenkreis umgesehen und festgestellt, dass Frauen im Alter oft neugieriger sind, interessierter, agiler als Männer. Wie gesagt, das ist reine Privatempirie und nicht das Ergebnis einer großen sozialogischen Studie.))
„Weite Sicht“ ist der Titel Ihres Debüts – wie kamen Sie auf diesen Titel? Welche Bedeutung hat er?
Ich finde, der Titel „Weite Sicht“ passt sehr gut zur Geschichte, da er viele Interpretationsmöglichkeiten und Assoziationen in sich trägt. Da ist natürlich der Schauplatz, in Hamburg, an und auf dem Wasser, das Strandbad in Klampenborg, nördlich von Kopenhagen. Von dort hat man eine unterschiedlich weite Sicht: Mal blickt man auf das gegenüberliegende Alsterufer, mal sieht man die schwedische Küste und manchmal nichts als unendlich weiten Horizont. Und dann geht es im Roman natürlich um die Dinge, die diese weite Sicht verstellen, verhindern gar – und wie man sie beiseiteschiebt.
Die Geschichten der vier Frauen zeigt, dass es nie zu spät für einen Neuanfang ist. Ist „Weite Sicht“ – Ihr Schriftstellerdebüt – auch ein Neufang in Ihrem Leben?
Kein Neuanfang, nein. Aber eine spannende, neue Facette.
Gibt es für Charlotte, Bente, Gesine und Sabine reale Vorbilder?
Nein, eigentlich nicht. Vielleicht unbewusst. Aber es ist nicht so, dass ich bestimmten realen Personen die Figuren in meinem Roman zuordnen könnte. Vieles hat sich erst beim Schreiben selbst ergeben, bestimmte Eigenschaften, Vorlieben, Sehnsüchte. Das war ein interessanter Prozess.
Verraten Sie uns Ihre Lieblingsstelle?
Irgendwann in dieser Geschichte macht sich Charlotte, die Protagonistin in „Weite Sicht“, auf nach Berlin. Dort hofft sie, ihre dänische Freundin Bente aus Jugendzeiten wiederzusehen. Aber Bente ist nicht da. Deren Neffe Mogens lässt Charlotte dennoch in der Wohnung übernachten. In ganz kleinen Schritten findet Charlotte nach dem Tod ihres Mannes so ins Leben zurück und probiert dabei neue Wege aus.
Sie sind ja nun recht alt für ein Debüt: Wie lange bewegt Sie diese Geschichte schon? Wann haben Sie den ersten Satz geschrieben?
Vielen Dank für die Blumen (lacht). Geschichten schreibe ich tatsächlich schon seit vielen Jahren. Als Journalist oder Drehbuchautor. Nun also ein neues Medium: das Buch, der Roman. Neue Wege zu beschreiten erfordert Mut, Zuversicht und Tatendrang. Da geht es mir nicht anders als Charlotte, Bente, Gesine und Sabine in „Weite Sicht“.
Man spürt ganz wunderbar Ihre Liebe zu Dänemark: Verraten Sie uns Ihren Lieblingsort?
Den einen Lieblingsort gibt es nicht. Ich mag das Licht in Skagen, dort, wo Nord- und Ostsee zusammenfließen, die laute Entspanntheit in den Bars von Kopenhagen, den Sonnenuntergang an der Westküste Bornholms und das Strandbad in Klampenborg, das auch in dem Roman vorkommt.
Was ist Ihr derzeitiges Lieblingsbuch?
Ich mixe gerne Fiktion und Sachbücher auf meinem Nachttisch. Das heißt, ich lasse mich aktuell mit dem „letzten Sessellift“ von John Irving nach Neu England schleppen und verfolge gleichzeitig die sehr persönliche Sicht auf „Europa“ von Historiker und Deutschlandkenner Timothy Garton Ash.
Wo kaufen Sie Ihre Bücher? Haben Sie eine lokale Lieblingsbuchhandlung?
Beim Buchkauf verlasse ich immer die „Ama-Zone“. (lacht) In Hamburg habe ich tatsächlich zwei Lieblingsbuchhandlungen: „Blattgold“ und „stories!“. Beide sind inhaberinnengeführt und haben wunderbare, kompetente MitarbeiterInnen. „Blattgold“ wurde übrigens während der Corona-Pandemie eröffnet. Dazu gehört ordentlich Mut, der unbedingt unterstützt werden muss. In Berlin schaue ich u.a. immer gerne bei „HundtHammerstein“ vorbei. Und nicht zu vergessen die Buchhandlung „Lesezeichen“ im niedersächsischen Zeven – wenn ich wissen will, was in meiner alten Heimat gelesen wird.
Herzlichen Dank, lieber Thorsten Pilz!
Weite Sicht
Thorsten Pilz
Lübbe
gebunden, 285 Seiten
9783785728376
€ 22,-