Martin Rütter

Martin Rütter eröffnete bereits 1995 seine erste Hundeschule, und seit 2008 rettet und hilft der »Hundeprofi« auch auf den deutschen Bildschirmen Hunden und Herrchen. Aktuell tourt Martin Rütter, der mit 25 Jahren Berufserfahrung der erfolgreichste und beste Hundeexperte ist, mit »Der will nur spielen«.



Lesen Sie hier das komplette Interview.

Lieber Martin Rütter, erzählen Sie uns, wie Ihre Liebe für Hunde und insbesondere für Ihren Beruf entstand?
Ich hatte schon immer einen engen Draht zu Hunden, obwohl ich als Kind keinen Hund haben durfte, da meine Eltern jedes Tier als überflüssig angesehen haben, das man nicht auf den Grill legen und essen konnte. Bereits in meiner Jugend habe ich die Hunde der Nachbarn ausgeführt und die Hunde meiner Tante Thea ohnmächtig gekrault. Sie hatte in den 1980er-Jahren eine Art Pflegestelle für gestrauchelte Tiere – und sie besaß die außergewöhnliche Gabe, Hunde, die anfangs noch ganz wunderbar waren, binnen weniger Wochen dermaßen verrückt zu machen, dass man das Haus nicht mehr angstfrei betreten konnte. Mich hat schon damals brennend interessiert, warum so viele Menschen um mich herum Probleme mit ihren Hunden hatten. Später habe ich Sport- publizistik studiert und wollte Sportreporter werden. Und so wie andere Leute neben dem Studium gekellnert haben, habe ich Hunde ausgeführt. Ich habe dann mein Theoriewissen – ich hatte bis dahin so an die zweihundert Hundebücher studiert – an den Leuten ausprobiert. Und da hat sich recht schnell rumgesprochen, dass, wenn dieser Rütter kommt, der Hund dann irgendwie anders ist. Und so im dritten, vierten Semester war für mich dann klar: Ich eröffne `ne Hundeschule. Für meine Eltern war das zunächst natürlich kein schöner Moment (schmunzelt).

Mit Ihrer Kampagne »Adoptieren statt Produzieren« plädieren Sie dafür, Hunden aus dem Tierheim eine zweite Chance zu geben. Was raten Sie Besitzer:innen nach der Adoption auf alle Fälle zu tun? Sofort mit Erziehungsmaßnahmen zu beginnen oder dem Tier eine Karenzzeit zu geben?
Grundsätzlich beginnt die Erziehung immer dann, wenn ein Hund bei seinen Menschen einzieht. Dabei die individuelle Geschichte des Hundes zu berücksichtigen, ihm also an den Stellen, an denen er mehr Zeit braucht, diese auch zu geben, ist natürlich auch sehr wichtig.

Wie lang dauert es in der Regel, bis neue Erziehungsmaßnahmen fruchten?
Wann Erziehungsmaßnahmen wirken, ist in erster Linie immer davon abhängig, wie sehr wir Menschen da am Ball bleiben. Denn Konsequenz – und damit meine ich nicht Strenge oder Härte – ist ein unerlässlicher Faktor in der Erziehung des Hundes. Oft ist es ja so, dass wir Menschen Regeln aufstellen, dann aber zu lax mit diesen umgehen. Immer sonntags darf der Hund mit am Frühstückstisch sitzen und bekommt sein Leberwurstbrötchen, an den anderen Tagen aber nicht. Das kapiert kein Hund und verunsichert ihn nur. Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen. Und nur so kann Erziehung gelingen.

Es kommt also zu 99 Prozent auf den Menschen an. Und immer, wenn mich die Leute nach einer gut erziehbaren Rasse, einer Anfängerrasse oder nach DEM Familienhund fragen, lautet meine Antwort: Ja, den gibt es, aber höchstens bei Toys »R« Us. Der hat Batterien im Hintern und den kann man ein- und ausschalten. Aber mal im Ernst, DEN richtigen Hund gibt es nicht, denn selbst innerhalb eines Wurfes können unterschiedliche Charaktereigenschaften auftreten. Generell eignen sich aber zum Beispiel für Familien eher Hunde, die nicht sehr sensibel sind. Feinfühlige Hunde können nämlich gerade bei Familien mit Kindern zu einem Problem werden, denn Kinder sind im Umgang mit Hunden nicht gerade vorsichtig und zimperlich. Und grundsätzlich sind solche Rassen leichter zu erziehen, die seit Jahren auf die Zusammenarbeit mit dem Menschen gezüchtet wurden. Hierzu gehören z.B. der Labrador oder der Golden Retriever, aber auch eine alte Jagdhunderasse wie der Pudel. Am Ende muss man aber auch wissen, dass jeder Hund für sich eine eigene Persönlichkeit ist, mit individuellen Charaktereigenschaften und Bedürfnissen, Stärken und Schwächen.

Mensch und Tier bauen eine sehr enge Beziehung auf und diese soll sich positiv auf die Gesundheit des Hundebesitzers auswirken. Wie vermeidet man eine Vermenschlichung des Tieres? Oder ist das gar nicht schlimm?
Bei dem Thema Vermenschlichung muss man ein wenig differenzieren. Wenn man seinen Hund mal vermenschlicht, geht ja nicht direkt die Welt unter. Ich habe meinem Hund abends auf der Couch auch schon mal meine Sorgen und Nöte des Tages erzählt. Kein Problem. Es darf nur nicht eskalieren, dass ich permanent meine Wünsche auf den Hund projiziere. Das schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann. Die Kernfrage lautet: Was stört den Hund? So lange der Hund in seiner geistigen und körperlichen Freiheit nicht eingeschränkt wird und nach seinen natürlichen Bedürfnissen entspannt leben kann, ist alles okay. So ist beispielsweise gegen ein mit Diamanten besetztes Halsband nichts zu sagen, denn es beeinträchtigt den Hund nicht. Das gilt auch für das pinkfarbene Märchenschloss als Hundehütte. Dagegen habe ich nichts. Gefährlich wird’s aber, wenn der Hund zum Oktoberfest ins Dirndl gezwängt wird. Da hört der Spaß auf, das ist Tierquälerei.

Eignen sich Hunde für den Büroalltag?
Für mich ganz klar ja. Studien belegen, dass Hundehalter konzentrierter arbeiten, wenn sie ihr Tier am Arbeitsplatz dabei haben. Außerdem haben Hunde einen positiven Einfluss auf das Betriebsklima. Natürlich müssen aber alle Mitarbeiter mit der Anwesenheit des Hundes im Büro einverstanden sein. Da nicht alle Menschen Hunde mögen, einige vielleicht sogar Angst haben, muss hier gewährleistet sein, dass der Hund keine Belastung für einen der Mitarbeiter ist. Denn selbst gepflegte und gut erzogene Hunde haben nun einmal einen Eigengeruch, verlieren Haare und können ab und an auch einmal bellen. Ein entspannter, menschenfreundlicher und gut erzogener Mitarbeiterhund in einem Betrieb, Unternehmen oder Großkonzern kann manchmal wahre Wunder bewirken. Ein Aspekt ist die interne Firmenkommunikation – ein Hund kann hierbei helfen, Brücken zu überwinden. Abteilungen, die sonst nichts bis wenig miteinander zu tun haben, geraten über den Hund in einen intensiveren Austausch und die Kommunikation untereinander wird dadurch gefördert. Häufig wird auch in der Mittagspause über die Arbeit gesprochen. Wer sich jedoch mit dem Hund beschäftigt, mit ihm einen kurzen Spaziergang unternimmt, der erfährt echte Entspannung. Und nicht zuletzt kann auch das operative Geschäft von einem vierbeinigen Mitglied profitieren. Bei Meetings oder Kundengesprächen beispielsweise findet man über einen Hund, sofern der Gesprächspartner Hunden gegenüber aufgeschlossen ist, nicht selten einen lockeren Einstieg.

Hier und da liest man über eine neue Art Teil-Hundehalter zu werden: dogsharing. Was halten sie davon?
Ich bin grundsätzlich ein großer Fan davon, dass sich die Leute, bevor sie sich einen Hund anschaffen, ein Netzwerk von Menschen aufbauen, die bereit sind, ihren Hund mal zu nehmen. Ich bin ein Fan von Dogsharing, also dass man sagt: Guck mal, mein Hund geht ja eh immer mit dem und dem spielen und ich mag den dazugehörigen Menschen, dann machen wir es so, wenn die in den Urlaub fahren, nehme ich deren Hund und umgekehrt. Das ist aus meiner Sicht sowieso die beste Lösung.

Sie setzen sich mit großem Engagement für den Tierschutz – vor allem den Welpenschutz – ein und warnen vor unseriösen Tierhändlern und Züchtern. Können Sie uns Tipps geben, was bei einem Hundekauf zu beachten ist?
Da habe ich zunächst zwei zentrale Bitten. Ich bin erstens ein Verfechter davon, dass alle, die sich einen Hund wünschen, erstmal im Tierheim vorbeischauen. Unsere Tierheime sind voll mit super Hunden, die es verdient haben, eine neue Chance zu bekommen. Und wenn es doch ein Hund vom Züchter sein soll, bitte achten Sie auf die Seriosität des Züchters. Ein Züchter sollte zum Beispiel nur eine Rasse haben, damit fängt es an. In dem Moment, wo der Züchter sagt, er hat einen Schäferhund, einen Pudel und einen Dackel, ist er kein Züchter mehr, sondern ein Händler. Zwei Würfe parallel ist auch kein gutes Zeichen für einen seriösen Züchter. Man kann sich gerne beim VDH, dem Verband für das Deutsche Hundewesen, umschauen, da ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, auf unseriöse Züchter zu treffen. Ein seriöser Züchter wird auch niemals einen Welpen übers Telefon verkaufen, er wird immer auf ein persönliches Treffen bestehen und einen viel über das eigene Leben ausfragen. Bei den Besuchen sollte die Mutterhündin immer vor Ort sein. Sobald man Ausreden hört, wie: Die Hündin ist gerade bei den Nachbarn oder sie ist krank und ist in Quarantäne, dann sollte man von einem Kauf absehen. Und ob nun Tierheimhund oder Hund vom Züchter – ich finde, dass es darüber hinaus sehr wichtig ist, noch lange bevor man einen Hund in sein Leben holt, eine Art Checkliste zu erstellen und sich zu fragen: Welcher Hund passt überhaupt zu mir? Ein sehr aktiver Mensch, der lange Tageswanderungen unternimmt oder täglich mehrere Kilometer joggt, wird wohl kaum mit einem Bernhardiner oder Mops glücklich werden, da diese im ersten Fall wenig Motivation haben auf so viel Aktivität und im zweiten Fall einfach vom Körperbau her nicht für lange sportliche Aktivitäten geeignet sind. Genauso wird aber ein eher gemütlicher Mensch, der den Hund zur Gesellschaft möchte und dem es reicht, dreimal täglich gemütlich eine Runde durch den Stadtpark zu drehen, kaum mit einem aktiven Jagd- oder Hütehund glücklich werden. In jeder guten Hundeschule kann man sich vor der Anschaffung dahingehend beraten belassen.

Der Sommer steht vor der Tür und viele Tierhalter:innen möchten Urlaub ohne das Haustier machen. Auf was man sollte bei der Wahl einer Urlaubsbetreuung wie z.B. Hundepension achten?
Es dürfen auf keinen Fall solche Massenbetriebe sein. Wenn man seinen Hund irgendwo unterbringen muss – und das ist ja klar, dass jeder mal in diese Situation kommen kann –, dann, finde ich, sollte man immer eine Einrichtung suchen, die das mit Familienanschluss macht und nur wenige Hunde aufnimmt, wo vielleicht auch schon ein Hund dauerhaft lebt. Und ganz wichtig: Man sollte sich den Ort wirklich vorher einmal genau angucken, eine Art ersten Probetag einplanen. Die Leute, die das professionell anbieten, die bestehen immer auch auf einen solchen Tag. Damit will ich aber nicht sagen, dass jeder, der einen Probetag anbietet, automatisch seriös ist, da es sich natürlich auch rumgesprochen hat, dass es zum „guten Ton“ gehört, so etwas zu machen. Wichtig ist, dass man vorab hinfährt, sich ein Bild macht, ein Gefühl für die Menschen dort bekommt, das man sich auch die anderen Hunde angucken kann.

Haben Sie besondere Tipps für das Reisen mit Hunden?
In aller Regel ist die Reise mit dem Auto für den Hund am geeignetsten, denn Fahrten mit dem Auto kennt er meist auch aus dem alltäglichen Leben. Für viele Hunde ist das Auto ja schon fast wie ein „zweites Zuhause“. Hat man den Hund von Beginn an an das Autofahren gewöhnt, wird er auch für eine längere Fahrt in den Urlaub damit keine Probleme haben. An Zugfahrten sollte man den Hund auch vor dem Urlaub bereits gewöhnen. Damit ein Hund hier entspannt mitfährt, sollte er keine Probleme haben, sich inmitten vieler fremder Menschen aufzuhalten, auch, wenn es dabei mal etwas enger wird. Zudem muss er an das Tragen eines Maulkorbs gewöhnt werden, da dieser für große Hunde, die nicht in einer Transportbox untergebracht werden können, in der Regel vorgeschrieben ist. Zudem ist es wichtig, sich vorab zu erkundigen, ob Ihr Hund überhaupt mitreisen darf. Reisen mit dem Flugzeug sollten nur dann mit Hund unternommen werden, wenn dieser im Passagierraum mitreisen darf. Dabei muss man beachten, dass diese Regelung nur für Hunde bis max. 5 kg, in Einzelfällen auch 6-8 kg, gilt, und dass die Hunde in einer Transportbox untergebracht werden müssen, welche die Maße des Handgepäcks nicht überschreiten darf.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit!