“Seien Sie mutig! Trauen Sie sich!
Wir sprachen mit Dr. Marianne Koch über ihr neues Buch und wie es gelingt, geistig fit und lebendig zu bleiben.
Dr. med. Marianne Koch gab ihre internationale Filmkarriere für die Tätigkeit als Internistin auf. Damals spielte sie u.a. mit Hollywood-Legenden wie Clint Eastwood und Gregory Peck. Heute arbeitet sie als Medizinjournalistin und Buchautorin, auf Bayern 2 hat die Medizinerin die Rundfunksendung »Gesundheitsgespräch «. Marianne Koch wurde mehrfach auf dem Gebiet der medialen Kommunikation von Medizin ausgezeichnet, u.a. wurde ihr 2019 die Paracelsus-Medaille verliehen, die höchste Auszeichnung der Bundesärztekammer. 2023 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse.
Liebe Frau Dr. Koch, Ihr neues Buch »Mit Verstand altern« bietet viele wertvolle Einsichten. Könnten Sie uns einen kurzen Einblick geben, was die Leser erwarten können und wie Ihr Ansatz zur geistigen Fitness im Alter aussieht?
Wir wissen inzwischen, dass sich unsere durchschnittliche Lebenserwartung um zehn bis fünfzehn Jahre verlängert hat. Und dass wir dieses Geschenk der zusätzlichen Lebenszeit keineswegs in einem Zustand der Gebrechlichkeit und des geistigen Abbaus verbringen müssen. Es kommt jetzt also darauf an, das Alter als einen neuen interessanten Abschnitt unseres Lebens, vielleicht sogar als Abenteuer zu betrachten und entsprechend zu gestalten.
Sie haben eine beeindruckende Karriere im Bereich der Medizin und als öffentliche Persönlichkeit. Wie hat Ihre eigene Lebenserfahrung Ihre Sicht auf das Altern und die damit verbundenen Herausforderungen beeinflusst?
Ich fürchte, dass meine Gehirnzellen ziemlich geschockt waren, als ich ihnen zugemutet habe, mit über 40 Jahren noch das medizinische Staatsexamen und danach den Facharzt für Innere Medizin zu bestehen. Andererseits war das wahrscheinlich ein gutes Training, auch für die Zeit, als ich mit 68 Jahren meine Praxis abgeben musste – und dann einen neuen Anfang als Medizinjournalistin wagte, Bücher schrieb und eine wöchentliche Rundfunksendung begann.
Welche Rolle spielen Lebensstil und persönliche Einstellungen Ihrer Meinung nach beim Erhalt der geistigen Leistungsfähigkeit im Alter? Gibt es bestimmte Gewohnheiten oder Praktiken, die Sie besonders empfehlen?
Gerade wurde in dem renommierten Fachblatt »JAMA Neurology « eine große wissenschaftliche Studie veröffentlicht, in der die wichtigsten Voraussetzungen für die Erhaltung der geistigen Fähigkeiten im Alter nachgewiesen wurden. Es sind: Lebenslanges Interesse an neuen Dingen. Gesunde Ernährung. Regelmäßige körperliche Aktivität. Kein Nikotin und nur wenig Alkohol. Ich möchte diese Punkte noch ergänzen mit: ausreichend Schlaf und eine grundsätzliche positive Einstellung gegenüber dem Alter.
Sie betonen die Bedeutung einer positiven Einstellung zum Altern. Wie können wir unsere Denkmuster und Überzeugungen umgestalten, um das Älterwerden als eine Zeit des Wachstums und der Erfahrung zu betrachten?
Die Zeiten, in denen wir von einer frechen Jugend mehr oder weniger lustig als »Gruftis« und »Kompostis« bezeichnet wurden, sind gottlob vorbei. Aber es bleibt immer noch ein gewisses negatives Image, das »einen fatalen Einfluss auf die Art und Weise hat, wie wir selbst mit dem Altern umgehen«, so die amerikanische Altersforscherin Becca Levy. Die fernöstlichen Länder machen es uns vor, meint sie. In Japan, zum Beispiel, wo alte Menschen eher verehrt, verwöhnt und ermutigt werden. Mit dem Erfolg, dass diese uns an Lebensdauer und Lebensqualität übertreffen. (Details in meinem Buch).
Technologische Entwicklungen haben unser Leben in vielerlei Hinsicht verändert. Wie können ältere Menschen von neuen Technologien profitieren, um ihre geistige Fitness zu fördern, und gibt es spezifische Tools oder Anwendungen, die Sie empfehlen?
Ich denke, wir haben längst gelernt, mit dem Internet umzugehen. Ob dabei unsere geistige Fitness immer gefördert wird, sei dahingestellt. Was ich sehr empfehle: die Volkshochschulen. Sie haben entsprechende Technikkurse – wie sie überhaupt viele hochinteressante Angebote zu allen möglichen Themen von Geschichte bis Insektenkunde bis Astronomie oder Sprachen anbieten.
Die Bedeutung sozialer Interaktionen für die geistige Gesundheit kann nicht oft genug betont werden. Wie können ältere Menschen ihre sozialen Verbindungen stärken und gleichzeitig neue intellektuelle Herausforderungen finden, um ihren Geist zu stimulieren?
Sie haben Recht: Die Einsamkeit ist die schlimmste aller Alterskrankheiten, die uns nicht nur seelisch, sondern auch körperlich trifft. Ich habe in meinem Bekanntenkreis einige Beispiele für ein gelungenes Miteinander. Zum einen eine gemeinsame Reise mit Freunden, am besten in ein Land, das man noch nicht kennt und das man gemeinsam erkunden kann. Zum anderen einen kleinen Buchklub, bei dem die Teilnehmer sich regelmäßig treffen und ihre neuesten Leseerlebnisse vorstellen. Aber in jeder Gemeinde gibt es Seniorenklubs, egal ob kirchlich oder weltlich, die oft eine sehr gute Gemeinschaft bieten. Muss man einfach ausprobieren.
Das größte Hindernis für die so wichtigen sozialen Kontakte ist das bei vielen älteren Menschen vorhandene Zögern: Muss es denn wirklich noch sein?
Ja. Es muss!
Welche Rolle spielt körperliche Aktivität Ihrer Meinung nach bei der Erhaltung der kognitiven Funktionen im Alter?
Das ist eine ganz wichtige Frage. Es gibt jede Menge wissenschaftlicher Beweise, dass regelmäßige Bewegung die Grundlage für ein erfolgreiches Altern ist. Dabei geht es um die bessere Sauerstoffversorgung aller Zellen, um die Erhaltung der Muskulatur – als Vorbeugung gegen Gebrechlichkeit – und um das Wohlgefühl, das wir nach körperlicher Anstrengung empfinden. Dabei ist es egal, ob wir uns im Fitnessstudio austoben, wunderbare Waldspaziergänge machen oder uns bei Yoga und anderen Heilgymnastik- Kursen bewegen.
Zum Abschluss: Wenn Sie einen Ratschlag geben könnten, den jeder von uns befolgen sollte, um mit Verstand zu altern, welcher wäre das?
Seien Sie mutig! Trauen Sie sich! Ihre lieben Gehirnzellen sind begeistert, wenn sie sich mit etwas Neuem beschäftigen dürfen!
Vielen Dank für das Gespräch.
Marianne Koch
Mit Verstand altern
