Nicola Förg

„Ich morde an sich gar nicht so gerne …“

Wir sprachen mit der beliebten Krimi-Autorin Nicola Förg.

Frau Förg, Sie leben im oberbayerischen Prem im Pfaffenwinkel – was veranlasst Sie dazu, Tod und Verbrechen sich fiktiv vor die eigene Haustüre zu holen?

Als ich 2002 – von heute aus betrachtet sehr lange her! – mit Schussfahrt den ersten Krimi im Süden der Republik geschrieben habe, war das exotisch. Aber ich fand damals schon, dass der Krimi als Genre einfach eine sehr gute Möglichkeit ist, brennende Themen mit einer spannenden Krimihandlung zu verweben. Ich morde an sich gar nicht so gerne, hab auch mal Mitleid mit den Tätern… Dass ich als Region meine Heimat gewählt habe, lag und liegt auf der Hand. Man muss die Menschen kennen, die Eigenheiten, den Sprachduktus… Ich bin überzeugt, dass der Leser diese Authentizität auch zu schätzen weiß. Es gibt ja Autoren, die suchen sich eine Region aus, die ihnen vielversprechend erscheint, frei nach dem Motto: Ich morde überall, wo ich gebraucht werde… Aber ein paar Reisen, Google Maps und Wikipedia ersetzen niemals eine Erfahrung, die lebenslang ist.

Ihre Krimis behandeln kritische Themen. Gibt es hier Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Tatsächlich liegt mir jedes Thema am Herzen, sonst hätte ich ja nicht so viele Recherche, Zeit und Herzblut investiert. Und diese Finger in die Wunde zu legen ist jedes Mal neu und aktuell. Leider – ich muss sagen leider – sind Themen, die ich vor ein paar Jahren aufgegriffen habe, nicht weg. Der illegale Welpenhandel zum Beispiel, den Scharfe Hunde 2017 thematisiert hat, gibt es heute immer noch!

Welche Herausforderungen gibt es beim Schreiben von Alpenkrimis, die sowohl spannend als auch kritisch sind?

Es ist ja nach wie vor so, dass der bayerische, der süddeutsche Krimi Klamauk und Slapstick versprühen soll. Da gehen Schubladen auf – in die ich nicht so recht passe. Die Herausforderung war es zu Beginn der Irmi Mangold Serie zu beweisen, dass sich augenzwinkernde Szenen mit beklemmenden Szenen abwechseln können. Weil das Leben so ist! Lachen und Weinen liegen im Leben oft sehr eng beisammen, wo Licht ist, gibt es Schatten. Und Themen wie den Welpenhandel, Glyphosat oder industrielle Geflügelhaltung elegant im Krimi unterzubringen, ist ja nicht neu. Im Süden wird das aber kritischer beäugt. Da diese Serien aber erfolgreich seit 15 Jahren laufen darf und treue Fans hat, die genau das suchen, würde ich sagen: Man kann Unterhaltung mit Information verquicken! Genauso braucht jeder Krimi Privatleben der ErmittlerInnen, das aber so, dass es die Spannung nicht überborden sollte. Die Dosis macht das Gift!

Wie viel von Ihrer eigenen Erfahrung und Ihren persönlichen Überzeugungen fließt in Ihre Bücher ein?

Wir leben sehr ländlich, versorgen Tiere, leiden, wenn sie krank sind, versuchen Heu zu machen – was uns by the way im Regen- und Gewittersommer emotional schwer gebeutelt hat –, wir haben einen kleinen Wald, kämpfen wie alle gegen den Borkenkäfer. Wir leben in einer hochtouristischen Gegend und spüren hautnah, das „Overtourism“ sehr viel mehr als ein Schlagwort ist! Sprich: Meine Themen sind andere als die von Mietern im dritten Stock in der Großstadt. Natürlich geht es bei mir eher um Ethik in der Tierhaltung, um falsche Landwirtschaftspolitik, als um Stoffe wie Massenmörder in der düsteren Stadt. Ich finde, es ergibt Sinn, sich mit etwas zu beschäftigen, mit dem man sich auskennt….

Zwei neue Krimis von Ihnen sind dieses Jahr erschienen: Zornige Söhne und Moorlichter. Wie haben Sie es geschafft gleich zwei Bücher zu schreiben? Und was erwartet die LeserInnen und Leser?

Das war in der Tat sportlich, ein Schreibmarathon im Jahr 2023. Es war aber auch ein selbstgewähltes Schicksal! Zornige Söhne, in dem es u.a. um den Konflikt zwischen der Babyboomer-Generation und der Gen Z geht, ist Teil einer Bestsellerserie mit Irmi Mangold, die seit 15 Jahren jedes Jahr in schöner Regelmäßigkeit erscheint. Die andere Serie mit Kommissar Weinzirl läuft in lockerer Folge und mich haben auf Lesungen immer wieder Weinzirl-Fans angesprochen, dass sie den Kommissar so vermissen – sozusagen auf vielfachen Wunsch entstand Moorlichter. Auch weil ich in der aktuellen Diskussion rund um die Wichtigkeit des Waldes als CO2-Speicher immer wieder zusammenzucke. „Wald vor Wild“ ist die Devise, Rehe werden zu Schädlingen, aber am Reh gebricht unser Wald wahrlich nicht! Gerade was Wald, Forst und Jagd betrifft, kursiert sehr viel gefährliches Halbwissen! Auch um da etwas Licht in den Wald zu bringen, entstand das Buch.

Sie haben auch zwei Jugend-Pferdebücher geschrieben, „Mittsommerwind: Idas Entscheidung“ und „Mittsommerwind: Neue Chancen“. Wie kam es dazu?

Der Wunsch wurde an mich herangetragen, und ich habe quasi den umgekehrten Weg gewählt. So einige bekannte Autorinnen haben mit Jugendbüchern begonnen und sind dann auf die Erwachsenen gekommen. Ich habe mich nun getraut, weil ich viele Mädchen im Lesealter über Jahre bei uns am Hof begleitet habe, ihnen Reitunterricht gegeben und versucht, Verständnis für Pferde zu wecken. Wir halten Pferde, ich habe Jahrzehnte als Fachjournalistin für Pferdemagazine geschrieben. Es ist insofern ein bisschen „das andere Pferdebuch“, weil man auch etwas lernt über artgerechte Pferdehaltung, darüber, warum ein Pferd eine Kolik bekommt, was Cushing ist und immer wieder, dass Pferde keine Sportgeräte sind. Und dass Mensch und Tier eben auch mal schlechte Tage haben, dass Lebewesen nicht „funktionieren“. Ich habe viele sehr klischeehafte Pferdebücher gelesen, das Strickmuster ist immer gleich: An sich schüchternes Mädchen ist die Einzige, die das Problempferd reiten kann und wächst daran. Das musste ich ja nicht auch noch kopieren! Ich sehe dieses „Ostwind Feeling“ – ohne Sattel, mit wehendem Haar durchs Rapsfeld – sehr kritisch. In der Realität sollte man nie über landwirtschaftliche Flächen reiten, da entstehen Futter und Lebensmittel. Und Mädchen reiten meist auf Reitplätzen und die ReitlehrerInnen und Mütter danken mir mein Plädoyer für den Helm!

Gibt es ein Thema, das Sie in einem zukünftigen Buch unbedingt behandeln möchten?

Es ist eher so, dass mich ein Thema plötzlich anspringt, beklommen macht und immer etwas mit der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion zu tun hat. Ich habe tatsächlich nicht zig Themen „auf Halde“, die ich dann mal abfeiern möchte. Bisher war da aber immer eine Initialzündung, bei der ich wusste: Das wird ein Buch, das hat mich gepackt. Irmi Mangold Nummero 16 wird 2025 erscheinen, dort geht es auch um Künstlerinnen-Biografien, um verkannte Frauen …

Vielen Dank für das Gespräch!