Petra Pellini

Petra Pellinis Debütroman „Der Bademeister ohne Himmel“ – schon entdeckt? Wir sprachen mit der Autorin über ihr Buch, über das Christine Westermann kürzlich im „Spiegel“ urteilte: „Hell und leuchtend, getragen von einer zarten Fröhlichkeit, von witzigen Dialogen, bei denen man in sich hineinlacht.“

Liebe Frau Pellini, wie kam es zu „Der Bademeister ohne Himmel“? Der Titel ist so wunderbar poetisch. Was bedeutet er für Sie persönlich?

Ich denke oft darüber nach, womit wir Menschen unsere Zeit verbringen, welche Fähigkeiten wir nutzen, welche Eigenheiten uns als Individuum ausmachen, wie einzigartig Empfindungen sind. Das alles fasziniert mich. Kommen Themen wie Älterwerden und Demenz hinzu, ergeben sich noch mehr spannende Fragen: Was macht einen Menschen aus? Gibt es so etwas wie einen ureigenen Kern im Menschen? Und wenn die Erinnerung Lücken aufweist, was von diesem ureigenen Kern bleibt bestehen und was geht verloren? Und weil ich am Arbeitsplatz die Vielschichtigkeit des Themas Demenz erlebt habe und beobachten konnte, wie viel Schmerz und Tiefe, aber auch Humor darin liegen, habe ich irgendwann darüber zu schreiben begonnen. Und der Titel? Nach meinem Empfinden ist der Titel mit dem Voranschreiten der Geschichte gewachsen. Als ich die ersten 22 Seiten des Bademeisters für den Vorarlberger Literaturpreis eingereicht habe, lautete das Manuskript Am Puls der Zeit. Als meine Arbeit am Text voranging, wurde mir klar, dass der Titel nicht mehr passend war. Später, so im letzten Drittel, als Hubert mir mehr und mehr vertraut wurde, war der Bademeister ohne Himmel plötzlich da und ich muss sagen: Der Titel fühlte sich sofort super an und gefällt mir bis heute. Und auch in anderen Sprachen wäre es ein schöner Titel. Bei dem Gedanken an eine Veröffentlichung hoffte ich, dass der Titel bleiben würde und so war es auch.

Können Sie uns einen kurzen Einblick in die Handlung des Buches geben?

Gerne. Die Handlung dreht sich um Linda und Hubert. Linda ist 15, ihr Nachbar Hubert, ein pensionierter Bademeister, ist 86 und dement. Während Ewa, seine polnische 24-Stunden-Hilfe, frei hat, betreut Linda Hubert stundenweise. Linda kann Huberts Verwirrung gut verstehen, auch sie kommt mit ihrem Leben nicht zurecht. Eine traumatische Kindheit liegt hinter ihr und nichts wirklich Greifbares vor ihr. Zwischen Hubert und Linda entsteht eine besondere Verbindung. Zusammenfassend kann ich sagen: Im „Bademeister ohne Himmel“ habe ich versucht eine kleine Welt zu zeichnen, in der es ums Erwachsenwerden und das Thema Demenz geht.

Wie haben Ihre persönlichen Erfahrungen in der Pflege demenzkranker Menschen Ihre Darstellung von Hubert, dem 86-jährigen Bademeister, im Besondern und die Geschichte im Allgemeinen beeinflusst?

Ich denke, ich bin eine gute Beobachterin, sehr wahrnehmend und feinsinnig. Das macht das Leben nicht unbedingt einfacher, aber im Hinblick auf den Umgang mit Menschen und auch bezüglich der Schriftstellerei bringt es viele Vorteile mit sich. Es gibt Menschen mit Demenz, die verlernt haben sich verbal mitzuteilen. Dann ist man als Pflegekraft darauf angewiesen, wahrzunehmen, was der Betroffene braucht. Derjenige sagt nicht, dass er Schmerzen oder Durst hat. Man muss es beobachten oder wahrnehmen. Das war genau meins. Deswegen habe ich die Arbeit mit dementen Menschen so sehr gemocht. Die Station, auf der ich gearbeitet habe, hieß Anderswelt und genau das war sie auch: Eine andere Welt. Gewiss habe ich dort vieles erlebt, das sich im Bademeister verwenden ließ. Ganz generell jedoch, das ist mir selbst vor kurzem klar geworden, ist es vielleicht mein Bestreben die Schwächeren zu schützen, warum ich diesen Roman geschrieben habe.

Was möchten Sie mit Ihrem Roman über die Themen Demenz, Pflege und Unterstützung im Alter vermitteln?

So viele Seiten können Sie für mein Interview bestimmt nicht verwenden! Machen wir es so. Ich beantworte diese Frage aus dem Herzen heraus, kurz und knackig, wie Ewa im Roman das tun würde. Es geht um eine menschliche, liebevolle Pflege. Es geht um Menschenwürde. Es geht um die Achtung vor dem Leben und dass wir jene schützen und achten, die alt und gebrechlich geworden sind und vielleicht manches oder vieles vergessen haben.

Die Ich-Erzählerin Linda ist 15 Jahre alt und steht vor großen Herausforderungen. Warum haben Sie sich entschieden, eine so junge Hauptfigur zu wählen?

Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich selbst zwei Töchter im Alter von 16 und 18 habe. Junge Menschen interessieren mich, ihre Sicht auf die Dinge, in der heutigen Zeit, empfinde ich als total spannend. Heutzutage als junger Mensch in die Zukunft zu gehen, wie mag sich das anfühlen?

Inwiefern spiegelt die Beziehung zwischen Linda und Hubert die Herausforderungen und Freuden der Generationen wider?

Es spiegelt eigentlich nur die Freuden wider, weil Linda kein Problem mit Hubert hat, auch nicht mit seiner Erkrankung. Sie mag ihn, nimmt ihn, wie er ist und spaziert unbedacht in seine Welt hinein. Sie begegnet ihm respektvoll und liebevoll. Eine Leserin meinte, sie würde sich für jeden dementen Menschen eine Linda und eine Ewa wünschen.

Ihr Buch wurde für einen Auszug mit dem Vorarlberger Literaturpreis ausgezeichnet. Was bedeutet diese Anerkennung für Sie?

Für mich war der Preis eine schöne Wertschätzung. Durch den Vorarlberger Literaturpreis wurde ich erstmals als Schriftstellerin sichtbar. Zudem war es ein Aufwind, an der Geschichte dran zu bleiben. Ich dachte mir, vielleicht würde es ja einen Verlag geben, der mehr von dem wollte, was der Jury gefallen hatte.

Gibt es eine Szene oder einen Moment in Ihrem Buch, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

Da gibt es einige. Besonders liebe ich die Szene, in der Hubert seine Tabletten nicht nehmen will, aber auch die Szene, in der Linda mit Hubert am Ufer sitzt. Eigentlich liebe ich alle Szenen, in denen Linda einen Weg aus dem Chaos findet und Hubert sich entspannt. Und am allermeisten liebe ich das Ende, aber eigentlich liebe ich auch den Anfang. Wirklich eine schwierige Frage!

Gibt es etwas, das Sie Ihren Lesern und den Buchhändlern, die Ihr Buch verkaufen werden, mit auf den Weg geben möchten?

Den Buchhändlern möchte ich für all die Gespräche danken, die sie über den Bademeister führen werden und ich möchte sie wissen lassen, wie wertvoll ihr Einsatz und ihre Begeisterung für die ganze Branche und für uns Autoren sind. Und die Leser? Jenen Lesern, die in Berührung mit den Themen Demenz und/oder Jugend kommen – und das sind vermutlich die meisten –, wünsche ich, dass der Bademeister ohne Himmel ihre Herzen berührt. Und jene Leser, die in ihrem nahen Umfeld von Demenz betroffen sind, vielleicht Partner, Sohn oder Enkelin sind, möchte ich sagen, dass sie Enormes leisten und dass die Kostbarkeit im Augenblick liegt. Oft sind Angehörige entmutigt, weil sie denken, das Ganze mache keinen Sinn, weil der demente Mensch ohnehin wieder alles vergisst. Ich denke, dass der gegenwärtige Moment zählt. Was sie Ihrer dementen Mutter schenken können, ist Ihre Anwesenheit und Ihre Zeit. Fühlt sich diese gemeinsame Zeit gut an, ist viel gewonnen. Und in dieser großen Herausforderung: Achten Sie gut auf sich selbst und vielleicht kommt Ihnen Linda manchmal in den Sinn und Sie versuchen einen anderen Weg und wenn dieser nicht klappt, gibt es vielleicht noch einen anderen und unter Umständen ändert sich sogar das Ziel. Macht nichts, solange es sich gut anfühlt!

Der Bademeister ohne Himmel